Schacheröffnung: Die Pirc-Verteidigung
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Die Pirc-Verteidigung ist nach dem jugoslawischen Schachspieler Vasja Pirc benannt. Als Vertreter dieser Eröffnung, gewann Pirc zwischen den 1930er bis 1950er Jahren mehrere Titel in seinem Land und nahm mit Jugoslawien sechs Mal an der Schacholympiade teil. In Russland wird die Eröffnung auch dem kasachisch-sowjetischen Schachmeister und -theoretiker Anatoli Ufimzew zugesprochen, weshalb in der Literatur vielfach auch die Bezeichnung Pirc-Ufimzew-Verteidigung geläufig ist. Auch wenn Pirc und Ufimzew in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aktiv Einfluss auf das Schachspiel und die Schachtheorie nahmen, so erlangte die Pirc-Ufimzew-Verteidigung erst ab den 1960er Jahren eine höhere Popularität. Der kanadische Schachgroßmeister Duncan Suttles setzte vermehrt auf diese Eröffnung und sie wurde sogar 1972 von Bobby Fischer gegen Boris Spassky gespielt.
Die Hauptvariante der Eröffnung verläuft über die folgenden Schachzüge:
1.e4 d6 2.d4 ♘f6 3.♘c3 g6
Schwarz startet in dieser Schacheröffnung zunächst mit einem passiven Bauernzug, was Weiß die Einnahme des Zentrums mit 1.e4 und 2.d4 ermöglicht. Doch mit 3. … g6 offenbart Schwarz einen Flankenangriff, der mit einem Schachzug des Läufers auf g7 stark an die Königsindische Verteidigung erinnert. Dennoch zählt die Pirc-Verteidigung als riskant, da sie Weiß sehr viele Entscheidungsfreiheiten in der Eröffnungsphase des Spiels einräumt.
Stärken der Pirc-Verteidigung
Die Pirc-Verteidigung bietet einige Stärken, die dem Gegner entgegengesetzt werden können:
- Taktischer Fokus:
Die Pirc-Verteidigung erfordert aber ermöglicht auch ein sehr taktisches Spiel. Da Weiß aufgrund des passiven Spielstils von Schwarz den Spielverlauf vorgeben kann, hat Schwarz die Möglichkeit, durch geschickte Taktik einen Konter einzuleiten.
- Ähnlichkeit zur Königsindischen Verteidigung:
Aufgrund des möglichen Fianchettos besteht eine hohe Ähnlichkeit zur Königsindischen Verteidigung. Schwarz hat somit die Möglichkeit, sich mehr Theorie anzueignen. Jedoch muss beachtet werden, dass die Abfolge der Schachzüge unterschiedlich ist und bspw. das Fianchetto in der Pirc-Verteidigung etwas verzögert eintritt.
- Kontermöglichkeiten:
Das Ziel dieser Verteidigung ist eine zunächst passive Spielweise, die dann im Übergang zum Mittelspiel einen Konter auf das Zentrum einleitet. Das Fianchetto unterstützt dabei und stärkt den Läufer auf den dunklen Schachfeldern. Das Potenzial des Konters bemisst sich im Wesentlichen nach dem Spielstil von Weiß.
Schwächen der Pirc-Verteidigung
Wie jede Eröffnung hat auch die Pirc-Verteidigung ihre Schwächen, die es zu beachten gibt:
- Passiver Spielbeginn:
Die Pirc-Verteidigung lässt Weiß sehr viel Raum in der Anfangsphase, weshalb der weiße Spieler seine Eröffnungsstrategie ungehindert entwickeln kann. Schwarz steht somit vor der Herausforderung, gegen alle möglichen Eröffnungen von Weiß gewappnet sein zu müssen. Dies stellt eine hohe taktische Anforderung dar und erfordert Erfahrung.
- Unkonventioneller Spielstil:
Die Verteidigung erfordert ein hohes Maß an Flexibilität im Spielstil von Schwarz. Aufgrund des Freiraumes, dem Weiß zu Beginn gewährt wird, muss Schwarz sich auch dem weißen Spielverlauf anpassen. Die Anforderungen an das taktische Geschick sind dementsprechend hoch.
- Schwer zu timen:
Die Strategie der Pirc-Verteidigung setzt auf einen Konterangriff auf das Zentrum. Hierfür muss aber ein gutes Timing vorliegen, damit der Angriff auf das Zentrum von Schwarz ausgeführt werden kann, bevor Weiß seinen Angriff startet. Denn der Angriff von Weiß könnte mit hoher Wahrscheinlichkeit von Schwarz nicht abgewehrt werden.
Mögliche Verläufe der Pirc-Verteidigung
Da die Pirc-Verteidigung als sehr risikobehaftet gilt, zeigen die meisten Spielverläufe die Gefahren auf, die Weiß aufbieten kann. Nachfolgend können die Variationen daher den Eindruck erwecken, sie wären aus der Position des weißen Spielers beschrieben. Als schwarzer Spieler sollte der Analyse der Spielverläufe daher vor dem Hintergrund möglicher Gegenangriffe erfolgen.
Klassischer Verlauf
Schachzüge:
1.e4 d6 2.d4 ♘f6 3.♘c3 g6 4.♘f3 ♗g7
Im klassischen Verlauf spielt Weiß seinen zweiten Springer und Schwarz mit seinem Läufer das Fianchetto. In dieser Konstellation wird Weiß mit hoher Wahrscheinlichkeit seinen f-Läufer entwickeln. Danach können beide Seiten rochieren oder zunächst einen Schlagabtausch mit ihren Bauern im Zentrum führen. Abhängig dies von der Aggressivität, mit der Weiß seinen Läufer ins Spiel bringt. Ein Läufer auf e2 ermöglicht über den leicht passiven Spielstil die Rochaden, während der Läufer auf c4 von Schwarz die Verteidigung des Schachfeldes d5 abverlangt. Beide Verläufe sind ausgeglichen und leiten in ein taktisches Mittelspiel über.
Österreichische Angriff
Schachzüge:
1.e4 d6 2.d4 ♘f6 3.♘c3 g6 4.f4
Der Österreichische Angriff zeichnet sich durch einen offensiven Vorstoß der weißen Bauernkette aus. Nachdem Schwarz über g6 ein Fianchetto vorbereitet hat, zieht Weiß seinen Bauern auf f4 und kontrolliert auf der 5. Reihe die Felder g5 bis c5. Schwarz kann hier mit e5 einen Gegenangriff starten und einen Abtausch der Bauern einleiten. Jedoch verschafft dieser Spielverlauf dem weißen Spieler einen leichten Vorteil. Als schwarzer Spieler muss ein hohes Maß an taktischem Können aufgebracht werden, um den Österreichischen Angriff zu kontern. Der Angriff zählt zu den aggressivsten Reaktionen auf die Pirc-Verteidigung und wurde von Namhaften Schachspielern erfolgreich gespielt – darunter auch Bobby Fischer.
150er-Angriff
Schachzüge:
1.e4 d6 2.d4 ♘f6 3.♘c3 g6 4.♗e3 ♗g7 5.♕d2 c6 6.f3 b5
Der 150er-Angriff ist eine sehr berühmte Variante, die jedoch weniger die Eignung der Verteidigung als vielmehr den Gegenangriff von Weiß behandelt. Die hier abgebildete Partie wurde auf einem internationalen Traditionsturnier 1999 in Wijk aan Zee gespielt. Sie zeigt die Eröffnungsphase der Kontrahenten Garri Kasparow (Weiß) und Wesselin Topalow (Schwarz).
Weiß startete in dieser Partie mit seinem Läufer und der Dame einen Angriff auf den Königsflügel über das Schachfeld h6. Beide Seiten rochierten darauf hin lang zur Damenseite. Für Schwarz war diese Rochade erzwungen und bedeutete ein Tempoverlust. Der König wurde von da an zudem von einer geschwächten Bauernstruktur geschützt, die für einen geplanten Angriff bereits im Vorstoß war. Im späteren Verlauf opferte Weiß beide Türme, was die Sensation der Partie begründete und Kasparow den Sieg sicherte. Jahre später bezeichnete er diese Partie als die beste, die er je gespielt hat. Der Spielverlauf stellt zwar kein repräsentatives Beispiel für den Ausgang der Pirc-Verteidigung dar, doch es ist das wohl beste Beispiel für den hohen taktischen Anspruch dieser Eröffnung.
Variation nach Byrne
Schachzüge:
1.e4 d6 2.d4 ♘f6 3.♘c3 g6 4.♗g5
Die Byrne-Variante startet früh eine Bedrohung mit seinem Läufer auf g5. Schwarz steht hier vor dem Problem, die Gefahr eines frühen Bauernvorstoßes auf der e-Linie zu bewerten. Ein gängiger Schachzug für Schwarz wäre es, den Läufer auf g7 zu ziehen, was jedoch ein Tempoverlust werden könnte, sollte im Spielverlauf auf h6 abgetauscht werden. Alternativ kann mit c6 zunächst ein Vorstoß auf das Zentrum oder den Damenflügel angedroht und der b-Springer auf d7 entwickelt werden. Die Abwehr des Läufers auf g5 erfolgt über den bereits genannten Schachzug h6. Im weiteren Spielverlauf versucht Schwarz, durch sein Fianchetto und den Bauernvorstoß auf der Damenseite durchzubrechen. Weiß wird versuchen, durch einen Angriff auf das Zentrum diese Bemühungen zu unterbinden. Weiß würde sogar einen frühen Damentausch auf d1 präferieren, um den Turm mit ein zu beziehen (der b-Springer auf d7 würde dem früh entgegenwirken).
Fazit
Die Pirc-Verteidigung ist eine sehr taktische und riskante Schachstrategie, die dem schwarzen Spieler ein hohes Maß an theoretischem Wissen abverlangt. Die Problematik mit der Verteidigung liegt in der passiven Spielweise in der Eröffnungsphase, die Weiß sehr viel Freiraum zur Ausgestaltung der eigenen Eröffnungsstrategie gewährt. Dadurch hat Schwarz zwar die Option auf einen Gegenangriff, muss aber in den vielen möglichen Eröffnungen von Weiß geschult sein, um entsprechend reagieren zu können. Dieser Umstand macht die Pirc-Verteidigung zu einer Eröffnung, die zumindest in Turnierspielen eher von erfahrenen Schachspielern genutzt werden sollte.
Ich hoffe, dass ich dir eine gute Übersicht über die Chancen und Risiken der Pirc-Verteidigung erläutern konnte. Solltest du noch weitere Fragen haben, so schreibe mir gerne über mein Kontaktformular. Und wenn du Interesse an Schachfiguren oder Schachbrettern in Turnierformat hast, so schau auch gerne einmal in meinem Sortiment vorbei.
Ich wünsche dir viel Spaß am Spiel, viel Erfolg und zügige Fortschritte beim Lernen.
Bis bald.
Stefan