Chess & Strategy: The Guide for Chess Beginners

Schach & Strategie: Der Leitfaden für Schachanfänger

Wenn du dich noch nicht ausführlich mit Schach beschäftigt hast, dann kann es durchaus sein, dass du mit all den taktischen Möglichkeiten im Spiel überfordert bist. Und das ist nicht ungewöhnlich, denn nachdem der weiße und der schwarze Spieler jeweils einen Zug gemacht haben, können bereits 200 verschiedene Stellungen auf dem Schachbrett eingenommen werden. Nachdem beide Spieler jeweils drei Züge gemacht haben, können gar über 9 Millionen unterschiedliche Spielkonstellationen vorliegen. Auch wenn in diesem Beispiel nicht alle dieser möglichen Varianten auf einer rationalen Spielweise beruhen und auch nicht alle Züge logisch sind, so machen sie dennoch die Komplexität des Schachspiels deutlich. Ein Beispiel zur Veranschaulichung: Der aktuelle Weltrekord nach Zügen wurde im Dezember 2021 zwischen Magnus Carlsen und Jan Alexandrowitsch Nepomnjaschtschi aufgestellt. Nach knapp unter 8 Stunden siegte Carlsen nach unglaublichen 136 Zügen. Durchschnittliche Schachpartien enden hingegen nach 30 bis 50 Zügen, abhängig von den Spielstärken der Teilnehmer, und können bereits bis zu unvorstellbare 10120 unterschiedliche Spielverläufe haben. Ein vollständige Analyse des Schachs ist auch heute noch technisch nicht möglich, weshalb selbst Wettbewerbe zwischen Supercomputern im Schachspiel abgehalten werden.

Doch um ein wenig Ordnung in dieses umfangreiche Spiel zu bringen, möchte ich dir nachfolgend einige Grundlagen aufzeigen, die dir das Spiel vereinfachen und bei der Entscheidungsfindung für deine Schachzüge helfen. Auch wenn es scheinbar unzählig viele Möglichkeiten gibt, seine Figuren zu ziehen, so bestehen auch ein paar sinnvolle und zum Glück nachvollziehbare Regeln, die dir den Einstieg in die Schachtaktik und das Treffen von Entscheidungen vereinfachen. Diese sogenannten Eröffnungsregeln schaffen für Schachanfänger ein grundlegendes strategisches Verständnis für das Spiel und geben erste Ansätze für taktische Züge. Das Ziel ist, dass du mit überschaubaren Aufwand deinen König besser schützen und den König der Gegenseite in Bedrängnis bringen kannst.

Voraussetzung für diesen Guide ist ein Verständnis der Grundregeln des Schachs. Solltest du diese noch nicht verinnerlicht haben, so lese dir gerne meine Schachregeln durch. Diese behandeln alle Bewegungsmuster, Regeln und Sonderregeln, die du zum Spielstart kennen musst.

Du hast bereits die Regeln studiert und bist bereit für die ersten Schachtaktiken? Dann folgen jetzt die sechs Eröffnungsregeln des Schachs.

 

Eröffnungsregel 1: Besetze das Zentrum

Wer das Zentrum kontrolliert, der kontrolliert auch das Spiel. Wenn Du es schaffst, beispielsweise deine Bauern frühzeitig ins Zentrum zu bringen und sie erfolgreich gegen Bedrohungen zu verteidigen, so kannst du dich mit deinen Leicht- und Schwerfiguren (Läufer & Springer / Türme & Dame) auf die Flanken konzentrieren.

Bauern greifen das Zentrum des Schachbretts an

Hier ein Beispiel einer aggressiven Schachstrategie mit einem Bauern-Angriff auf das Zentrum. Schwarz muss entscheiden, ob er den Bauern auf d4 nimmt oder lieber seinem eigenen Bauern Deckung gibt. Beide Entscheidungen geben aber auch Weiß immer noch unzählige Möglichkeiten, das Zentrum zu halten.

Hat dein Gegenspieler das Zentrum verloren, so muss er sich in seiner Verteidigung sowohl um das von dir besetzte Zentrum als auch um die von dir gewählte Flanke kümmern. Dein Vorteil liegt folglich darin, dass du deine Ressourcen für deinen Angriff konzentrieren kannst, während dein Gegenspieler seine Ressourcen streuen muss. Eine gute Möglichkeit, um Wege zur Eroberung des Zentrums aufzuzeigen, sind Schacheröffnungen. Diese zeigen dir unterschiedliche Varianten auf, die über Jahre ausführlich analysiert wurden und dir ein Gefühl für die Ausgangsstellung nach deinen ersten Schachzügen geben.

 

Eröffnungsregel 2: Vermeide unnötige Bauernzüge

Ist das Ziehen der Bauern für die Eroberung des Zentrums noch von entscheidender Bedeutung, so können zu viele Bauernzüge zu spielentscheidenden Nachteilen führen. Bauern sind wichtig für die Struktur des Spielaufbaus, aber sie sind taktisch schwach und verfügen nur über eingeschränkte Bewegungs- und Angriffsmuster. Jeder Zug, den du mit einem Bauern machst, könntest du stattdessen auch mit einem Springer oder einem Läufer machen und dir somit mehr taktische Optionen eröffnen. Wenn deine Bauern also nicht gerade ein schwaches Feld verteidigen müssen, das von deinem Gegenspieler bedroht wird, ziehe lieber deine höherwertigeren Figuren ins Feld und bilde mit diesen eine stabile Frontlinie. Sobald deine Leicht- und Schwerfiguren in Stellung gebracht sind und du zum Angriff übergehen möchtest, kannst du überlegen, wie du deine Bauern mit einbeziehst. Zu diesem Zeitpunkt haben deine Bauern auch eher die Möglichkeiten, deine stärkeren Figuren zu unterstützen, da du nach ein paar mehr Zügen sowohl die taktischen Einsatzmöglichkeiten deiner Figuren als auch die deines Gegenspielers besser beurteilen kannst.

 

Eröffnungsregel 3: Entwickle deine Figuren

Wie bereits erwähnt: Ziehe deine Springer und Läufer, sobald du das Zentrum mit deinen Bauern besetzt hast. Hierbei empfiehlt es sich, erst die Springer und die Läufer ins Spiel zu bringen, da erstere direkt dein Zentrum stützen können, während letztere indirekt bereits die Diagonalen für den weiteren Spielverlauf abdecken.

Spanische Partie auch Ruy Lopez genannt

Nachfolgend einen Blick auf eine spanische Schachstrategie, auch Spanische Partie oder Ruy Lopez genannt. Nach dem Angriff auf das Zentrum und den gegnerischen Bauern durch den eigenen Springer geht der weiße Spieler mit seinem Läufer direkt in den Angriff und stellt eine Bedrohung gegen den gegnerischen Springer auf.

Bringe auch deine Türme in Stellung  (siehe Rochade weiter unten) und suche dir ein nicht angreifbares Feld für deine Dame, von dem aus sie sich zumindest defensiv einbringen kann. Sie mag zwar die stärkste Figur auf dem Schachbrett sein, ist aber immer auch ein primäres Angriffsziel, sollte sie sich zu weit aus ihrer Deckung wagen. Deine Figuren sind entwickelt, sobald alle Leicht- und Schwerfiguren ins Spiel gebracht wurden und dein König rochiert hat.

 

Eröffnungsregel 4: Ziehe mit jeder Figur (wenn möglich) nur einmal

Es hat absolute Priorität, möglichst schnell möglichst viele Spielfiguren aktiv ins Spiel zu bringen. Doch bewegst du Figuren mehrfach, so verschenkst du deine Züge. Das führt dazu, dass die anderen Figuren verzögert auf der Grundreihe verbleiben, während dein Gegenspieler seine schneller ins Feld ziehen und wichtige taktische Spielfelder für sich beanspruchen kann. Es ist quasi wie ein Wettrennen und der langsamere Spieler gerät automatisch in die Defensive. Dabei ist es unerheblich, welche Schachstrategie oder Schachtaktik du verfolgst, mehrmaliges ziehen ohne konkreten Grund führt immer zu Nachteilen. Um diese zu vermeiden ist es zudem sinnvoll, nicht zu früh anzugreifen und erst einmal jede gezogene Figur sofort mit einer anderen zu verteidigen. Da sorgt dafür, dass dein Gegenspieler keine Schwachpunkte ausfindig und dich mit einem Angriff von deiner Figurenentwicklung abhalten kann. Erst wenn deine Stellung stabil und deine Figuren ins Spiel gebracht sind, kannst du selbst Ausschau nach Schwachpunkten in der gegnerischen Stellung halten und deinen Angriff abwägen.

 

Eröffnungsregel 5: Vollführe möglichst schnell die Rochade

Die Rochade ist der wichtigste Sonderzug im Schach. Er bringt deinen König in Sicherheit und sorgt dafür, dass dein Gegenspieler seinen Angriff auf einer Flanke forcieren muss. Zudem bringt die Rochade deinen Turm in Aktion und ermöglicht dir früh und mit wenig Zügen, beide Türme zu verbinden.

Spanische Partie oder Ruy Lopez mit schneller Rochade

Hier die Fortsetzung aus dem Beispielbild der Eröffnungsregel 3 (Spanische Partie). Nachdem Schwarz seinen Läufer auf c5 gezogen hat, rochiert Weiß sofort und hat nun gute Chancen auf das Zentrum, eine Bedrohung gegen den gegnerischen Springer aufgestellt und einen Sicheren König. Das alles geschah in nur sieben Zügen.

Verzichtest du hingegen auf die Rochade, so ist dein König von beiden Flanken aus angreifbar und kann grade durch gegnerische Läufer schnell ins Visier genommen werden. Die Folge ist oftmals der Verlust des Rechts auf eine Rochade durch Zugzwang. Auch das Potenzial deiner Türme wird geschwächt, da diese unabhängig voneinander und oftmals von Bauern geblockt eigenständig ihren Weg auf das Spielbrett suchen müssen. Es gibt nur wenige Schachstrategien und Schachtaktiken, die ein Verbleiben des Königs im Zentrum erfordern. Und selbst die dienen mehr der Verwirrung des Gegners, als dass sie wirkliche Alternativen zu gängigen Spielmustern darstellen. Strebe folglich so schnell wie möglich die Rochade auf eine Seite an.

 

Eröffnungsregel 6: Positioniere deine Springer nicht am Rand

Der große und auch einzigarte Vorteil des Springers ist das Überspringen von Spielfiguren. Keine andere Figur auf dem Schachbrett verfügt über diese taktische Option. Doch dieser Vorteil hat seinen Preis, der sich insbesondere in der niedrigen Reichweite des Springers niederschlägt.

Spanische Partie oder Ruy Lopez mit Springer am Rand

Auch hier eine Fortsetzung der bereits bekannten Spanischen Partie. Auch Schwarz hat nun rochiert und Weiß spielt seinen Springer auf h4. Zwar hat Weiß noch die Option auf f5, doch sobald Schwarz dieses Feld mit einem Bauern abdeckt und den weißen Läufer auf b5 angreift, verlagert sich das Spiel fernab des Springers am Rand.

Im direkten Vergleich zum Läufer, Turm und zur Dame verfügt der Springer nicht über eine gradlinige Reichweite, sondern eher über eine Reichweite innerhalb eines Radius. Dieser zwingt ihn zudem, ständig die Farbe seines Feldes zu wechseln, was die Berechnung seiner Züge erschwert. Wenn du also deinen Springer am Rand positionierst, verliert er stark an Wert, da er nur eingeschränkt über das Spielfeld gezogen werden kann. Verlagert sich das Spielgeschehen beispielsweise auf die andere Flanke, wird dein Springer nahezu teilnahmslos oder muss zumindest mehrere Züge durchführen, bis er die andere Seite des Schachbretts erreicht. Halte ihn also möglichst zentral, wenn du mit ihm kein besonderes taktisches Motiv verfolgst.

 

Diese sechs Regeln stellen natürlich nur eine grobe erste Orientierung dar, um Schachstrategien zu verstehen und Schachtaktiken erfolgreich anwenden zu können. Um das Gelernte zu verinnerlichen, solltest du vor allem eins tun: Spielen. Dies kannst du auf renommierten Schachportalen wie www.lichess.org oder auch www.chess.com tun. Spiele gegen andere Spieler, spiele gegen künstliche Intelligenzen. Analysiere deine Spiele und identifiziere deine Fehler.

Ich wünsche dir viel Spaß am Spiel, viel Erfolg und zügige Fortschritte beim Lernen.

Bis bald.

 

Stefan

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